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Freunde der gepflegten Zweitaktkultur, heute drehen wir das Rad der Zeit zurück ins Jahr 1962, als aus dem Motorradwerk Zschopau zwei schmucke Maschinen auf die Straßen der Deutschen Demokratischen Republik entlassen wurden: die MZ ES 125 und ihre große Schwester, die MZ ES 150. Die beiden kamen mit 8,5 bzw. 10 PS daher – nicht die Welt, aber genug, um flott durch Stadt und Land zu rollen. Und, liebe Mitbürger, es gab eine Menge zu entdecken!
Fortschritt auf zwei Rädern
Die Buchstabenkombination „ES“ steht für Einzylinder und Schwinge, womit wir gleich beim ersten Glanzpunkt dieser Maschinen wären: das Vollschwingenfahrwerk. Wo andere Motorräder mit klapprigen Teleskopgabeln über Kopfsteinpflaster hüpften, glitt die ES geschmeidig dahin – ein Segen für Fahrer und Sozius, egal ob Genossin oder Bierkasten auf dem Rücksitz.
Allerdings musste man beim Luftdruck aufpassen – ein schlecht gefüllter Vorderreifen konnte bei 40 km/h zum Lenkerpendeln führen. Doch der findige MZ-Fahrer wusste sich zu helfen: Luftdruck prüfen, Reifen im Auge behalten – und gut war’s!
Der neue Rahmen – Fortschritt aus Blech
Während die alten RT-Modelle noch mit dem klassischen Rohrrahmen daherkamen, brachte MZ mit der ES eine bahnbrechende Neuerung: den Pressstahlrahmen. Oder wie wir im Volksmund sagten: den „Blechträgerrahmen“. Leichter, verwindungssteifer und einfacher herzustellen – ein echter Fortschritt! Zum ersten Mal wurden die beiden Rahmenseiten durch Bördeln und Falzen untrennbar miteinander verbunden. Das Ergebnis: eine 20 % höhere Steifigkeit und damit bessere Fahreigenschaften. Einfach genial!
Weltneuheiten aus der DDR
Man kann ja sagen, was man will, aber wenn es um technische Finessen ging, war MZ ganz vorn mit dabei. Die ES war das erste Motorrad weltweit mit asymmetrischem Abblendlicht – eine echte Sensation! Während die Konkurrenz noch mit flackernden Lämpchen kämpfte, konnte der ES-Fahrer die Straße besser ausleuchten, ohne den Gegenverkehr zu blenden. Dazu gab’s eine Lichthupe – ein Komfort, den nicht einmal jedes Auto dieser Zeit hatte.
Die rasende Taschenlampe
Eines muss man der ES lassen: Ihr Design war zeitlos. Der tropfenförmige Tank und die eckige Lampe prägten das Erscheinungsbild so sehr, dass sie von liebevollen Spöttern „die rasende Taschenlampe“ genannt wurde. Heute klingt das vielleicht etwas despektierlich, aber mal ehrlich: Ein schöner Spitzname für ein Motorrad, das so viele Kilometer treu seinen Dienst tat!
Der Wandel der Jahre
Natürlich blieb auch die ES nicht stehen. 1965 kam der sogenannte Breitwandzylinder, der das thermische Verhalten verbesserte und die Maschine vollgasfest machte. 1969 erhielt die gesamte Baureihe den Beinamen „Trophy“, um den legendären Erfolg der DDR-Mannschaft bei den International Six Days zu würdigen. Die Trophäen wurden stolz auf den Tankdeckeln der neuen Modelle verewigt.
Die Farbpalette passte sich ebenfalls dem Zeitgeschmack an: War anfangs noch eine elegante Linierung zu sehen, wurde es in den 70er-Jahren bunter – rote, gelbe und blaue Modelle dominierten das Straßenbild. Chromteile wurden reduziert, stattdessen setzte man auf sportlichere, silberne Kotflügel und offene Federbeine.
Abschied und Wiederkehr
1977 war schließlich Schluss mit der ES 125 und 150. Die Produktion wurde eingestellt, da sich die TS-Baureihe mit Teleskopgabel besser verkaufte. Doch das bedeutete nicht das Ende – im Gegenteil! Heute, Jahrzehnte später, erleben diese kleinen Maschinen eine Renaissance. Wo sie früher als altmodisch galten, werden sie heute als stilvolle Klassiker gefeiert.
Viele von ihnen schlummern noch in Garagen und Schuppen, warten auf liebevolle Restaurierung und neue Abenteuer. Und mal ehrlich, Genossen: Wer einmal den satten Zweitaktsound einer gut eingestellten MZ ES gehört hat, der weiß, dass sie nie wirklich weg war.
Also, liebe Freunde der ostdeutschen Ingenieurskunst: Öl mischen, Kerze prüfen und ab auf die Straße – die MZ ES lebt!